Was der historischen Musikwissenschaft das Autograph einer alten Notenhandschrift, ist der Volksmusikforschung und Musikethnologie die so genannte Feldforschung. Das „Feld“ bezeichnet dabei den Ort, an dem soziale Gegebenheiten, Bräuche oder Volkslieder erfahren und aufgezeichnet werden, um sie später systematisieren und analysieren zu können. Feldforschungen können auf der Straße, in der Fabrik oder im Wirtshaus stattfinden – die Hauptsache dabei ist, dass man vor Ort so genannte „Gewährspersonen“ ausfindig macht, Leute, die mit der jeweiligen Situation, Kultur oder Musik vertraut sind und darüber Auskunft geben können und wollen. Vor allem im Bereich der Volksmusikforschung haben sich Feldforschungen erst langsam entwickelt – ging es etwa bis ins 19. Jahrhundert beinahe ausschließlich darum, Liedtexte aufzuzeichnen und in großen Sammlungen herauszugeben, wurde erst Jahrzehnte später auch die Melodie der Lieder für aufzeichnungswürdig befunden. In einem letzten Schritt werden schließlich auch soziokulturelle und historisch gewachsene Kontexte in der Dokumentation mit berücksichtigt.
Nach frühen Ansätzen zur Volksmusikdokumentation, wie etwa dem österreichweiten Sammelaufruf Joseph von Sonnleithners 1819 oder den Salzburger Volks-Liedern von Vinzenz Maria Süß 1865 gab die Gründung des Österreichischen Volksliedunternehmens 1904 Gelegenheit, die Volksliedsammlung auch im Land Salzburg in geregelte Bahnen zu lenken. Im Jahre 1975 fand die Sammeltätigkeit des Salzburger Arbeitsausschusses im damals noch jungen Salzburger VolksLiedWerk eine zeitgemäße Fortsetzung. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Volksmusikforschung der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien begann man systematisch, die einzelnen Gaue des Landes Salzburg durch volksmusikalische Feldforschungen zu erschließen.
In mittlerweile bewährter Zusammenarbeit mit der Universität Mozarteum beschäftigten wir uns im Februar 2012 eine ganze Woche lang mit der regionalen musikalischen Alltags- und Festkultur im Gasteinertal. Begleitet wurden wir dabei von Musikstudenten, die zuvor im Rahmen einer Lehrveranstaltung von Thomas Hochradner und Thomas Nußbaumer mit den grundlegenden Methoden der musikalischen Feldforschung vertraut gemacht worden waren und uns - bestens vorbereitet - vor Ort unterstützten. Ihnen und unseren "überregionalen" Begleitern Gerlinde Haid (†) und Manfred Riedl, sowie ganz besonders unseren Gewährspersonen vor Ort, die uns unvoreingenommen aufnahmen und Einblick in die oft sehr persönliche Welt ihrer Musikausübung gewährten, gilt unser besonderer Dank.
Die Materialen der vorliegenden Feldforschung befinden sich noch im Status der Auswertung. Wiederum zeigt sich, dass die Erhebungszeit vor Ort im Arbeitsprozess einer Feldforschung zeitlich gesehen relativ marginal erscheint - der Löwenanteil dagegen kommt dem Einholen ergänzender Informationen und der genauen Ausarbeitung der Protokolle, sowie der Erstellung eines schriftlichen Berichtes zu. Sämtliche Materialien der Feldforschung sind im Archiv des Salzburger VolksLiedWerkes katalogisiert, eine schriftliche Zusammenfassung ist in Vorbereitung.
2006 begab man sich für eine mit zwei Tagen vergleichsweise kurze Feldforschung nach Abersee, um einen Ausschnitt dortiger regionaler Musizierstile mittels Video- und Tonaufnahmen, Bilddokumenten und Protokollen festzuhalten. Diese Forschungsfahrt wurde gemeinsam mit Thomas Hochradner und Thomas Nußbaumer von der Universität Mozarteum unternommen, sämtliche Materialien liegen – derzeit noch unpubliziert – im Archiv des Salzburger Volksliedwerkes, vorhandene Metadaten sind über den Datenbankverbund der Volksliedarchive abrufbar.
Diese große Feldforschung führte das Salzburger VolksLiedWerk in Zusammenarbeit mit der Universität Mozarteum Salzburg und dem Institut für Volksmusikforschung der Musikuniversität Wien in das Lammertal im Tennengau, wobei damit die feldforschungstechnische Erschließung des letzten der fünf ländlichen Bezirke des Landes Salzburg abgeschlossen werden konnte. In Forschungsablauf und -konzept stark von den teilnehmenden universitären Instituten geprägt, verfolgte diese 2001 durchgeführte und 2003 veröffentlichte Feldforschung mitunter erstmals das Ziel, die musikalische Volkskultur „in ihrer gesamten Breite“ zu erfassen, nicht nur die so genannte „traditionelle Volksmusik“.
Nicht immer ist es die Regel, dass spätestens einige Jahre nach den Erhebungen im Feld der gedruckte Forschungsbericht in Buchform vorliegt. Die Ergebnisse der nächsten beiden Forschungsprojekte des Volksliedwerkes, die Feldforschung Pinzgau 1978 und die Feldforschung Pongau 1986, liegen noch immer weitgehend unbearbeitet in den Archiven des Salzburger und des Österreichischen Volksliedwerkes. Das gesammelte Material gliedert sich in Fotografien, Tonbandaufnahmen und Protokolle, in denen Angaben zum Ablauf der Aufnahme, zu den Gewährsleuten und zu sonstigen Parametern der Aufnahmesituation gemacht werden. Das Archiv des Österreichischen Volksliedwerkes hat diese Bestände bereits – sorgfältig geordnet – innerhalb des Datenbankverbundes der Volksliedarchive inhaltlich erschlossen. Dort ist nach Eingabe der entsprechenden Suchbegriffe genau ersichtlich, welche Aufnahmen und Begleitmaterialien unter welcher Archivsignatur zu finden sind. Eine genaue und zuverlässige Archivierung ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Feldforschungsergebnisse, wenn schon nicht innerhalb eines eigenen Bandes publiziert, zumindest einzeln eingesehen, analysiert und veröffentlicht werden können. So konnten Helga Thiel und Maria Walcher jeweils eigene Beiträge über Teilgebiete der Feldforschungen Pinzgau und Pongau im Rahmen des 13. Bandes der „Schriften zur Volksmusik“ publizieren, auch die Leiterin der damaligen Feldforschungen, Gerlinde Haid, verwendet die Aufnahmen regelmäßig im Rahmen ihrer Lehr- und Vortragstätigkeit.
Deutschs Mitarbeiterin Gerlinde Haid begab sich bereits ein Jahr später gemeinsam mit ihren Kollegen Ilka Peter, Helga Thiel, Sepp Gmasz und Maria Theresia Schimpfößl-Ager erneut nach Salzburg – dieses Mal, um eine Woche lang im Flachgau Volksmusik aufzuzeichnen und die Musiker zu interviewen. Das Material dieser Feldforschung wurde 1977 durch nochmalige Aufnahmen vor Ort ergänzt, das gesamte Projekt publizierte man 1980.
Diese Forschungsfahrt in den Lungau unter Leitung von Walter Deutsch hatte die „Erfassung des im Leben integrierten und in der Erinnerung bewahrten Liedgutes, Musikgutes und der Tanzformen“ zum Ziel. Durchgeführt von 23. bis 28. Jänner 1975, wurde das Projekt noch im selben Jahr als „Lungau-Report“ publiziert.
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