Lebendiges Archiv

Alte Liedhandschriften neu interpretiert - unter diesem Motto begeben sich interessierte Gesangsgruppen auf Schatzsuche ins Archiv des Salzburger VolksLiedWerkes. Gehobene Schätze werden akustisch neu gewandet und dem Archiv in Form eines Videoclips zurückgeschenkt.

>> Eindrücke vom Dreh - hinter den Kulissen ...

Liedhandschriften, die noch auf eine Neuinterpretation warten, haben wir bereits (inklusive Transkription in moderne Schrift) auf dieser Seite zum Download zur Verfügung gestellt.


Aufgsunga: A jeda Bam hat seine Äst

In diesem Lied aus der Volksliedsammlung des Lehrers Otto Dengg (1879 - 1957) dreht sich alles um die (noch unerfüllte) Liebe. Das Ende wird offengelassen, der Ich-Erzähler ist jedoch guter Dinge, dass sich alles zum Guten wenden und er erhört werden wird. Wir freuen uns, dass die Gruppe "Aufgsunga" sich dieses schönen aber bislang weitgehend unbekannten Liedes aus unserem Archiv angenommen hat.


Burgberger Dreigesang: Ei du falscher Gugu

Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts in ganz Österreich vielfach aufgezeichnetes Volkslied, unter anderem in den Sammlungen von Franz Friedrich Kohl und Konrad Mautner vorhanden. Mit Otto Denggs Saalfeldner Aufzeichnung aus den 1920er-Jahren existiert auch eine frühe Salzburger Version dieses Liedes, wobei sich die Versionen meist nicht stark unterscheiden.


Ensemble polyPHon: Das Lumpen

Im Wintersemester 2023/24 wurden an der Pädagogischen Hochschule Salzburg im Rahmen des Freifaches "Lebendiges Archiv – alte Liedhandschriften neu interpretiert" Lieder aus dem Archiv des Salzburger Volksliedwerkes zum Klingen gebracht. Das gleichnamige Projekt des Volksliedwerkes wurde von Michael Ofenböck als Freifach für interessierte Studierende der PH adaptiert. Kristina Buchberger, Simone Dertnig, Barbara Ellinger, Simone Fuchs und Marlene Stauder sangen und musizierten Lumpen-, Krippen-, Hirten-, Toten- und Wiegenlieder. Drei der neu interpretierten Liedschätze wurden im Jänner 2024 im Salzburger Haus der Volkskulturen audiovisuell aufgezeichnet.

Dieses "Lumpenlied" hat der Volksliedsammler Otto Eberhard (1875–1960) am 18. August 1933 in Forstau aufgezeichnet. Die Handschrift liegt heute im Archiv des Salzburger Volksliedwerkes (SVLW A 10/k).


Rußbacher 4G’sang: Hallberger

Mündlich überliefert von Sepp Hödlmoser vulgo Leitn Sepp. Im Archiv des Salzburger Volksliedwerkes existiert die handschriftliche Aufzeichnung eines gleichnamigen Jodlers (Zinkenbach am Abersee, 1891), der jedoch einen völlig anderen melodischen Verlauf aufweist.


Cantophonics: Gott griass enk Leitln

Die früheste greifbare Veröffentlichung des Liedes besorgte der Altenmarkter Pfarrer Martin Hölzl in seinem gleichnamigen Liederbuch (mehrere Auflagen, um 1922). Hölzl schreibt von einem Lehrer Johann Weiß in Schwoich/Tirol, der bereits 1875 einen vierstimmigen Satz des Liedes vorgelegt hätte. Für diese Angabe konnten allerdings keine Quellen gefunden werden, auch der Tiroler Volksliedforscher Karl Horak (1908–1992) vermutet, dass dieses Lied „einer jüngeren Schicht angehört, da es in älteren Quellen fehlt.“ (Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes 18 (1969), S. 33) Seit den 1920er-Jahren ist das Lied in ganz Österreich und Bayern allgemein verbreitet und wird vielfach gesungen, vor allem von Anglöcklgruppen.


Gruabstoana Viergsang: Auf da Schattseitn bleib i nid

Dieses Lied hat sich über Wastl Fanderl (1915-1991) seit den 1960er-Jahren in der Salzburger Volksliedpflege verbreitet. Laut Fanderls Angabe in seinen Lieder-Bogen stammt es aus Kastelruth und wurde vom Tiroler Volksliedsammler Franz Friedrich Kohl (1851-1924) aufgezeichnet. Für die Neuausgabe der Lieder-Bogen konnte Peter Igl allerdings recherchieren, dass Fanderl nur den Text der 1. Strophe der Aufzeichnung Kohls entnommen hatte. Dort ist der Text "Auf der Schattseitn bleib i nid" der 5. Strophe des scherzhaften Liedes "Mei Herz und mei Sinn liegt in Zillertal drin" entnommen. Die Verbindung des Textes mit der Melodie in Form eines geläufigen Schnaderhüpfl-Modells (vgl. etwa www.volksmusikdatenbank.at/POOL-VLWN-TIT-66584.html) und die weiteren, ebenfalls schnaderhüpflkonformen Strophen dürften, da sich keine anderen Nachweise finden lassen, auf Fanderl selbst zurückgehen.


Stimmradl: Die Ballade von der Gärtnersfrau

Die seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts in vielen verschiedenen Text- und Melodievarianten im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitete Ballade von der Gärtnersfrau findet sich auch im Archiv des Salzburger Volksliedwerkes. Im Sommer 1926 konnte der Salzburger Volksliedsammler Otto Eberhard sie auf der Zisterbergalm in der Osterhorngruppe aufzeichnen - vorgesungen wurde sie ihm damals von Zäzilia Putz und Zilli Rustfeichtbauer aus Gaissau.

Eingesungen wurde die Ballade für uns von der Gruppe Stimmradl (https://notenpinsel.at/stimmradl.html), an der Harfe begleitet von Waltraud Stögner.


Rußbacher 4G’sang: Und wånns amoi sche aper wird

Dieses Frühlingslied, das eigentlich, wie die meisten Almlieder, zugleich ein Liebeslied ist bzw. in diesem Fall von einer unglücklichen Liebe erzählt, ist seit Ende des 19. Jahrhunderts in vielen verschiedenen Text- und Melodievarianten überliefert. Die früheste Salzburger Aufzeichnung, die am ehesten der Version des Rußbacher 4G’sanges entspricht, hat Tobi Reiser (1907–1974) – vermutlich Anfang der 1930er-Jahre – dem Salzburger Volksliedsammler Otto Eberhard (1875–1960) vorgesungen.


Christina und Marie Stöger: Ei, wie schmeckt denn so ein Küsschen

Zwar stammt dieses Lied aus der Feder des Wiener Komponisten Carl Lorens (1851–1909), der Hinweis auf seine Urheberschaft dürfte sich allerdings relativ bald nach der Schöpfung des Liedes und der Veröffentlichung im Verlag Josef Blaha verloren haben - es wurde zum Volkslied, das sich nunmehr seit über hundert Jahren in verschiedenen Zusammenhängen von Tirol bis Salzburg immer wieder findet, etwa im "Stenographieheft für Kreszenz Scheiber 1910" (Ötztal) oder auf Feldforschung bei den "Weberhausdirndln" in Annaberg (Lammertal).


Flachgauer 3erlei: Auf da Ålma drobn

Unter dem Namen "D'Senneri" taucht dieses Lied eines unbekannten Schöpfers im 19. Jahrhundert in der Sammlung "Sang und Klang aus Appenzell" auf, der österreichische Volksliedsammler Karl Liebleitner verzeichnete es unter dem Titel "Die Alma Ließl". Seit Ende des 19. Jahrhunderts findet sich das Lied in vielen gedruckten Liedersammlungen und handschriftlichen Gebrauchsliederbüchern. Für Salzburg sind unter anderem die Liedersammlung des Jägers Anton Schider aus Golling (1881) oder das Liederbuch der Marie Hutter aus Saalfelden (1896) zu nennen. Die vorliegende Fassung stammt aus der gedruckten Liedersammlung von Otto Dengg und dürfte auf eine Saalfeldner Aufzeichnung seines Lehrer- und Volksliedsammlerkollegen Otto Eberhard zurückgehen, der das Lied gleich zweimal, 1913 (Saalfelden) und 1931 (Pillersee), aufgezeichnet hat.

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Vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1930er-Jahre war das auch in der Steiermark verbreitete Lied vom "Kogelwald" in Salzburg populär und ist in vielen Gebrauchshandschriften und gedruckten Liederblättern aus dieser Zeit überliefert. In der Salzburger Volksliedpflege der 1970er- und 1980er-Jahre entstand ein neues Lied mit demselben Liedanfang ("Åber hin übern Kogel"), jedoch mit völlig anderem Text und einer anderen Melodie. Nach einer Aufzeichnung von Harald Dengg, dem damaligen Leiter der Salzburger Volkskultur und des Salzburger Volksliedchors, wurde es in Liederblättern und bei Veranstaltungen wie der "Klessheimer Singstund" verbreitet, blieb jedoch in seinem Bekanntheitsgrad bis heute weitgehend auf Salzburg beschränkt.

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Der Dreimäderlhausgesang singt den "Arnreiter Dreier" (Mühlviertel um 1930)

Die erste Notenaufzeichnung des "Arnreiter Dreier" stammt vom oberösterreichischen Volksliedsammler Hermann Derschmidt (1904-1997). Als Jahr der Aufzeichnung hielt er 1932 fest und beschrieb den Jodler in seiner Sammlung "Unsere Jodler" als "von Arnreiter Sängern aus Bruchstücken zurechtgesungen". Nach seiner schriftlichen Fixierung wurde der Jodler relativ bald Bestandteil der oberösterreichischen und später auch der salzburgischen Volksliedpflege. Der Salzburger Lehrer und Liedvermittler Adolf Dengg (1902-1990) nahm ihn in die für seine Singgruppen erstellten Lieder- und Jodlersammlungen auf, 2012 fand er zudem Eingang in die die "Salzburger Lieder- und Jodlerschatztruhe".

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Der Dreimäderlhausgesang singt "Heit is die Samstagnacht" (Salzburger Variante um 1920)

Die "Samstagnacht", in der ein Mädchen voll Vorfreude vom anstehenden Besuch seines Liebhabers berichtet und in manchen Versionen auch schildert, welche Hindernisse es dafür im Vorfeld beiseite geräumt hat, taucht in Salzburg in Aufzeichnungen seit dem frühen 20. Jahrhundert auf. Unter anderem wird es in der ersten Jahrhunderthälfte auch in Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich und Bayern schriftlich festgehalten.

Während Motiv und Text nahezu unverändert bleiben, können verschiedene Melodievarianten festgestellt werden - weitaus bekannter ist das Lied heute in Salzburg interessanterweise nicht in der hier vom Dreimäderlhausgesang dargebotenen Fassung, die erstmals beim Salzburger Volksliedsammler Otto Dengg als "Tanzlied" auftaucht, sondern mit einer getrageneren Melodie und abschließendem Jodler: So findet es sich in den "Niederösterreichischen Volksliedern und Jodlern aus dem Schneeberggebiet" in einer Aufzeichnung von 1912 (Kronfuß/Pöschl) und in einigen für die Salzburger Volksliedpflege prägenden Ausgaben wie den "Lieder-Bogen" des Wastl Fanderl, Lois Neupers "Goiserer Singstunden" oder der "Salzburger Lieder- und Jodlerschatztruhe" (2012).

Die Dengg-Fassung, die wir hier hören, scheint - etwas variiert - noch beim Salzburger Volksliedsammler Otto Eberhard auf, der sie in den 1920er-Jahren im Lammertal (Annaberg und St. Martin) festhalten konnte.        

>> Quellennachweis unter www.volksmusikdatenbank.at


Die Fuchsberger Sänger bringen das Hirtenlied "Jokl, Hiasl, Hansl, Michl" (Sterzing 1921)

Aus der Tradition des Salzburger Adventsingens nicht mehr wegzudenken ist der so genannte „Andachtsjodler“, der wahrscheinlich schon seit den Anfängen des Adventsingens Ende der 1940er-Jahre am Schluss der Aufführung gemeinsam mit dem Publikum angestimmt wurde. Hunderte Tonaufnahmen und Abdrucke in verschiedensten Schul- und Weihnachtsliederbüchern haben ihn weit verbreitet, die vielen Nachahmungen von Reisers Adventsingen im deutschsprachigen Raum setzen meist ebenfalls auf diesen gemeinsamen Ausklang. 

Vielfach findet sich der „Andachtsjodler“ auch unter dem Namen „Sterzinger Mettenjodler“. Erstmals aufgezeichnet wurde er, gemeinsam mit dem Lied „Jokl, Hiasl, Hansl, Michl“, vom niederösterreichischen Volksliedsammler Karl Liebleitner (1858–1942) in Sterzing in Südtirol. Liebleitner veröffentlichte seine Entdeckung 1921 in der Zeitschrift „Das deutsche Volkslied“ und wies darauf hin, Lied und Jodler seien in Sterzing „seit 1833 erinnerlich“. Bemerkenswert: Damals gab es den Namen „Andachtsjodler“ noch nicht. Vielmehr war der Jodler ursprünglich ein namenloses Anhängsel und Ausklang des Liedes „Jokl, Hiasl, Hansl, Michl“ und wurde in der Mette auf ebendieses Lied „ganz leise während der Wandlung gesungen“. 

Einen Titel bekam der Jodler erst in Helmuth Pommers (1883–1967) „Lieder des deutschen Alpenvolkes“ aus dem Jahr 1927 – Pommer nannte ihn „Jodler-Andacht“. Unter demselben Titel und im selben Satz setzte Kiem Pauli (1882–1960) den Jodler 1938 in seine „Lieder und Jodler aus Oberbayern“, wobei er den Bezug zu Sterzing verschwieg und seine Lieblingssänger Sepp Burda, Sepp Sontheim und Karl Vögele als Gewährspersonen nannte. 

Die Bezeichnung „Andachtsjodler“ hingegen taucht erstmals in den „Salzburger Musikblättern“ vom Dezember 1940 auf – gleich oben auf Seite 1 findet sich „Der Tjo tjo-i-ri (Ein Andachtsjodler)“. Nach dem Krieg übernimmt Cesar Bresgen ihn unter dem Titel „Andachtsjodler“ mit der Quellenangabe „Tirol. 1830 in Sterzing zur Christmette gesungen. Heute weit verbreitet“ in seine bekannte Liedersammlung „Fein sein, beinander bleiben“ von 1947. 

Bemerkenswert: Gleich nach Online-Stellen des Videos auf unserem Youtube-Kanal erreichte uns eine automatisierte Meldung, dass Teile des Videos unter dem Titel "Andachtsjodler" "urheberrechtlich geschützt" seien. Auf unseren Einspruch hat der sogenannte "Rechteinhaber" allerdings nie reagiert, sondern seine "Ansprüche" nach Ablauf einer durch Youtube automatisch gesetzten Frist verstreichen lassen.

>> Quellennachweis auf www.volksmusikdatenbank.at


Michael Vereno spielt und singt den "Englischen Gruß"

Der "Englische Gruß" stammt aus der ersten gedruckten Salzburger Volksliedersammlung, den "Salzburger Volks-Liedern" von Maria Vinzenz Süß (Salzburg 1865). Da Süß keine Quellen für die einzelnen Lieder seiner Sammlung anführt, lässt sich über die Geschichte des Liedes vor 1865 nichts sagen. Zum Text bzw. dem Dialog Engel - Maria existieren einige Melodievarianten - jene von Süß' aber erscheint uns besonders feierlich. Zwar chronologisch nicht korrekt, aber der Feierlichkeit des Hochfestes entsprechend, veröffentlichen wir dieses Mariä Verkündigung huldigende Lied zu Mariä Empfängnis am 8. Dezember.


Die Aubichi-Musikanten musizieren vorm Haus der Volkskulturen

Das Lied "Auf da Ålm bei de Zirbm" stammt vom Volkslieddichter Josef Pöll (1874-1940), der es 1922 in seinen "Liedern zur Laute im Tiroler Volkston" veröffentlichte. In Salzburg ist es uns bislang auf Feldforschungen oder auch in lokal verbreiteten Liederbüchern nicht begegnet, allerdings taucht es in vielen Liedhandschriften im Besitz des Tiroler Volksliedarchivs auf. Auf dieses Lied aufmerksam geworden sind die Aubichi-Musikanten nach der Erzählung von Gitarrist Peter Windhofer deshalb erst durch die berühmte Wiener Sängerin und Dudlerin Trude Mally (1928-2009), von der er es einmal hörte. 
Die gstanzlartige und humoristische Anlage der Strophentexte ließ in der Geschichte des Liedes weitere Strophen hinzuwachsen und Varianten entstehen - auch in der Interpretation der Aubichi-Musikanten finden sich gegenüber Josef Pölls Original aus seinem Liederbuch, das in unserer Bibliothek vorhanden ist, einige Strophen- und Melodievarianten.