Bordun und Borduninstrumente in der Volksmusik (Salzburgs)

Zwischen Vorgestern und Heute

Ähnlich der Situation in der heutigen „historischen Aufführungspraxis“ von Quellen aus der gehobenen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts kann die Rekonstruktion damaliger Aufführungspraxen der Tanzmusik der breiten Bevölkerung nicht lückenlos sein, sondern enthält zwangsweise Anteile moderner Interpretation. Sowohl in der heute allgemein als „Klassische Musik“ bezeichneten Musizierpraxis wie auch in jener als „Volksmusik“ bezeichneten besteht eine Kluft zwischen wahrgenommener Kontinuität und den dokumentierten Brüchen. Man bedenke, dass auch z.B. Mozarts Musik erst Jahrzehnte nach seinem Tod „wiederentdeckt“ werden musste.

Zu den Spiel- und Tanzpraxen und dem Repertoire der Tanzmusik der Salzburger Bevölkerung des 18. und frühen 19. Jahrhunderts gibt es nur punktuelle und bisweilen widersprüchliche Belege. Eine Dichotomie zwischen gefälligen Modeerscheinungen und überraschenden Archaismen begegnet beispielsweise im Salzburger Teil der „Sonnleithner-Sammlung“. Trotzdem gilt, was auch in der historischen Aufführungspraxis „Klassischer Musik“ gilt, dass nämlich nur die Kenntnis des seinerzeitigen Kontexts eine musikalisch schlüssige und qualitativ hochwertige Aufführung ermöglicht.

Abgesehen von der Erforschung historischer Aufführungspraxen gab es während des gesamten 20. Jahrhunderts wiederholt Bemühungen um eine Revitalisierung historisch in Salzburg belegter Instrumente. Bei Harfe, Geige und vor allem dem Hackbrett (in seiner modernen Salzburger Ausführung) ist diese Revitalisierung so gelungen, dass der weitgehende Bruch der Kontinuität heute fast vollständig aus dem Bewusstsein verschwunden ist. Bei den Instrumenten Drehleier und Dudelsack gab es ähnliche Versuche (u. a. durch Tobi Reiser), jedoch ist erst seit den 1980er-Jahren eine anhaltende Erneuerung eingetreten.
 

Michael Vereno

Michael Vereno wurde in Salzburg geboren und wuchs in musikalischem Umfeld auf. Er spielt mehrere Musikinstrumente, beschäftigt sich seit 1997 aber vorwiegend mit mitteleuropäischen und vor allem österreichischen Sackpfeifentypen. Seit seiner Jugend tritt er regelmäßig als Solist und in diversen Ensembles international auf. Als Vizeobmann des Salzburger Vereins Unisonus sowie als Leiter des gleichnamigen Ensembles widmet er sich der Wiederbelebung von Borduninstrumenten in der österreichischen Volksmusik. Neben seiner Beschäftigung als Musiker ist er als promovierter Sprachwissenschaftler fächerübergreifend mit der Erforschung alpenländischer Instrumentaltraditionen beschäftigt. Sein 2015 erschienenes Sachbuch Die Stimme des Windes. Sprachliches zur Geschichte der Sackpfeife zeichnet eine sprachwissenschaftliche Geschichte der Sackpfeife in Europa.

Simon Wascher

Musiker, Tänzer, Veranstalter, Forschender, mit volksmusikalischer Familientradition aufgewachsen in Kremsmünster, lebt heute in Wien; Sein Schwerpunkt ist die traditionelle Musik und Historisch informierte Aufführungspraxis der Tanzmusik der Bevölkerung des 17. bis 19. Jahrhunderts.
Simon Wascher beschäftigt sich mit den frühen erhaltenen Notenhandschriften, die dem Musizieren der breiten Bevölkerung zugeordnet werden.In der Veranstaltungsreihe Das Reisende Archiv, bei der Handschriften aus Archiven im Umkreis ihrer Herkunft an Musizierende vermittelt werden, oder der Reihe Archivprobe – entwickelt für das Österreichische VolksLiedWerk – werden diese Handschriften heutigen Musizierenden zugänglich gemacht.
Publikationen und Artikel ergänzen seine forschenden Aktivitäten.

http://simonwascher.info